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Was ist ein „Lichtwert“?

Ich formuliere das mal so, wie ich es auch in meinem Einsteigerkurs erklären würde: In der Fotografie geht es, sage ich Anfängern immer, erst einmal um die korrekte Belichtung eines Fotos. Das Foto soll nicht zu hell und nicht zu dunkel sein. Im Automatik-Modus stellt sich die Kamera selbst ein: sie misst die vorhandene (und für jedes Foto andere) Menge Licht (ermittelt also den Lichtwert), wählt dann eine dazu passende Blende, Belichtungszeit und Empfindlichkeit … und du bekommst immerhin ein korrekt belichtetes Foto. Ob das auch schön ist, scharf ist und dir gefällt, ist damit noch nicht gesagt. 

Von „Lichtwert“ rede ich im Anfängerkurs zwar nicht. Hier aber wollen wir uns das Ding mal genauer ansehen – ohne zu sehr ins Technische zu gehen. Denn zu verstehen, wie eine korrekte Belichtung zustande kommt und „funktioniert“, tut auch den kreativen Aspekten von Fotografie sehr gut!

Der Lichtwert (LW) – allermeist aber als EV (Exposure Value) bezeichnet – ist eine Maßeinheit für die Helligkeit einer Szene. Er beschreibt, wie viel Licht dort vorhanden ist und auf den Sensor deiner Kamera trifft. Wichtig: Ein Lichtwert sagt dir mögliche Kombinationen aus Blende, Belichtungszeit und Empfindlichkeit, mit der ein Foto korrekt belichtet werden kann.

 

Der Grundgedanke

Wenn du zum Beispiel bei Tageslicht draußen ein Motiv fotografierst, braucht es eine ganz andere Belichtung als bei einem Foto in einem Innenraum bei Kerzenlicht. Der Lichtwert hilft dir (bzw. der Kamera) einzuschätzen, wie viel Licht es in der Szene gibt – und welche Kameraeinstellungen dein Bild richtig belichten werden, es also weder zu hell (überbelichtet) noch zu dunkel (unterbelichtet) machen.

 

Die drei Zutaten für die richtige Belichtung

Stell dir vor, du willst ein (immer unterschiedlich großes) Glas Wasser genau bis zum Rand füllen – also nicht zu viel und nicht zu wenig reinlassen. Die drei Einstellungen an deiner Kamera sind wie drei Hähne, mit denen du den Wasserfluss (= Licht) steuerst:

  1. Blende (f/…)
    Sie steht in diesem Bild für den Durchmesser des Wasserhahns. Eine kleine Blendenzahl (z.B. f/2.8) bedeutet: großer Durchmesser – viel Licht kommt durch. Eine große Blendenzahl (z.B. f/11): kleiner Durchmesser – wenig Licht kommt durch.
  1. Belichtungszeit (z.B. 1/125 s)
    Wie lange bleibt der Verschluss (der Wasserhahn) offen? Lange Zeit (z.B. 1 Sekunde) = viel Licht. Kurze Zeit (z.B. 1/1000 Sekunde) = wenig Licht.
  1. Empfindlichkeit (ISO)
    Wie empfindlich ist dein Sensor für Licht? Oder, um im Bild zu bleiben, wie weit drehst du den Hahn auf? Tröpfelt oder fließt es? Niedrige Empfindlichkeit (z.B. ISO 100): wenig Lichtempfindlichkeit, vielleicht längere Belichtungszeiten, dafür aber höhere Bildqualität. Hohe Empfindlichkeit (z.B. ISO 3200): kürzere Belichtungszeiten, aber mehr Bildrauschen.

 

Und wie „arbeitet“ das zusammen?

Ein gut verständliches Bild für die Zusammenarbeit von Blende, Belichtungszeit und Empfindlichkeit, ist auch das Belichtungsdreieck. Es visualisiert die Zusammenhänge von Blende, Zeit und Empfindlichkeit.

Wenn viel Licht da ist und du z.B. die Blende weit öffnest (mehr Licht reinlässt), musst du in der Regel an anderer Stelle Licht wegnehmen, z.B. mit einer kürzeren Belichtungszeit oder niedrigerer Empfindlichkeit. Umgekehrt: wenn wenig Licht da ist, musst du die Blende so weit möglich öffnen, die Belichtungszeit lang machen und die Empfindlichkeit sehr hoch setzen, damit du überhaupt ein (aus der Hand gemachtes, korrekt belichtetes) Foto bekommst.

Die Abkürzung „EV“ kommt dir übrigens spätestens am Belichtungsmesser deiner Kamera entgegen: denn der gibt dir in EV-Drittelstufen Über- oder Unterbelichtungen an bzw. zeigt +/- 0, wenn die Belichtung korrekt ausfallen wird. Auch eine Belichtungskorrektur stellst du in den Halbautomatiken in Exposure Values ein.

Belchtungsdreieck

Mit welcher Kombination aus Blende, Zeit und Empfindlichkeit du das Licht „richtig“ auf den Sensor bekommst, ist für die Belichtung „egal“. Nicht aber für den „Bildlook“.

Beispiel:
Wenn dein Motiv einen Lichtwert von 10 EV hat, kannst du dein Foto also z.B. so belichten:
Blende f/5.6, 1/125 s, ISO 100 oder
Blende f/4, 1/250 s, ISO 100 oder
Blende f/8, 1/125 s, ISO 200 oder … oder …

Auf älteren analogen Kameras bzw. Objektiven findet man gelegentlich die Lichtwerte aufgedruckt. Zum Beispiel auf meiner ersten eigenen Kamera, einer Agfa Silette, sind sie zu sehen. Blende und Belichtungszeit sind am Objektiv einzustellen … und für jede mögliche Kombination kann man den Lichtwert ablesen. Blende f/4 und 1/250 s haben den Lichtwert 12. So ist das auch an der Silette eingestellt, siehe Titelbild oben; die roten Zahlen geben den Lichtwert an: hier eben 12! Ebenso haben die Kombinationen f/2.8 und 1/500 s oder f/5.6 und 1/125 s diesen Lichtwert. (Und so weiter: es sind natürlich noch einige weitere Kombinationen möglich: siehe ÖLichtwert-Diagramm und Lichtwert-Tabelle unten.) Die Empfindlichkeit als dritter Parameter wird nicht angeben.

Alle drei (Beispiel-)Kombinationen sorgen also für die gleiche korrekte Belichtung, weil sie denselben Lichtwert ergeben – dein Foto würde „äquivalent belichtet“. Das Lichtwert-Diagramm unten zeigt „gängige“ Kombinationen.

Lichtwert-Tabelle

Die Lichtwert-Tabelle oben enthält (fast) alle möglichen Kombinationen von Blendenzahlen und Belichtungszeiten für die Lichtwerte von -2 bis 21. Schau sie dir einmal in Ruhe an 🙂 Die Werte vom Objektiv der Agfa Silette tauchen auch hier wieder auf.

 

Blende, Zeit und Empfindlichkeit tun aber viel mehr!

Wenn du verstehst, wie du mit diesen drei Parametern den Lichtwert beeinflusst, hast du die volle Kontrolle über deine Belichtung. Das ist gut so. Aber – und hier wird es nochmal spannender – du kannst dann vor allem bewusst und gewollt auch Einfluss nehmen auf den „Bildlook“, die „Bild-Aussage“.

Du kannst die Schärfentiefe in deinem Foto steuern und/oder auch die Bewegungsschärfe bzw. -unschärfe regeln und selbst noch die Abbildungs-Qualität beeinflussen:

Wenn du die Schärfentiefe in deinen Fotos beeinflussen möchtest, tust du das vor allem mit der Größe der Blendenöffnung: eine große Blende (f/1.4 … f/2.8) gibt dir (in Kombination mit einer längeren Brennweite und einem geringen Abstand zum Motiv) wenig Schärfentiefe und eine schöne Freistellung. Für viel Schärfentiefe (in der Landschaftsfotografie: Vordergrund bis Horizont) schließt du die Blende (f/11 z.B.) und wählst eine kurze Brennweite. Das kannst du ausführlich und bebildert nachlesen in drei Blogposts; fang hier an: Schärfentiefe.

Möchtest du Bewegungen einfrieren oder verwischen? Das machst du mit einer entsprechenden Belichtungszeit. Und vielleicht mit einem Stativ oder per Mitzieher.

Willst du die beste Bildqualität mit möglichst wenig Rauschen (geringe Empfindlichkeit) oder musst du die Empfindlichkeit hochsetzen, weil der Lichtwert zu klein ist?

 

Diese gestalterischen Fragen sind natürlich wichtiger als der Lichtwert. Wenn du dich mit den Lichtwerten ein wenig auskennst und dich elegant im Belichtungsdreieck bewegen kannst, fällt es dir aber deutlich leichter, deine Fotos so zu machen, wie du sie haben möchtest.

Und dann hat sich die Beschäftigung mit diesem trockenen Thema echt gelohnt!

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